Was kommt durch den Hinweisgeberschutz auf Kommunalbeamtinnen und Kommunalbeamte zu?

In Deutschland wurde die Whistleblower-Richtlinie (WBRL) in das Hinweisgeberschutzgesetz umgesetzt und ist zum 2. Juli 2023 in Kraft getreten. Nach dem HinSchG werden grundsätzlich alle Unternehmen ab 50 Beschäftigen verpflichtet, interne Meldestellen zu implementieren. Daneben ist auch der öffentliche Sektor vom HinSchG betroffen. Gemeinden ab einer Einwohnerzahl von 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern und wenigstens 50 Beschäftigten sind ebenfalls verpflichtet, interne Meldestellen zu implementieren.

Die Whistleblowing-Gesetzgebung verfolgt das Ziel, den Schutz hinweisgebender Personen generell zu stärken. Als potenziell hinweisgebende Personen kommen nicht nur Beschäftigte privatwirtschaftlicher Unternehmen in Betracht, sondern ausdrücklich auch Beamtinnen und Beamte.  

Die landesrechtliche Umsetzung wird derzeit in den einzelnen Bundesländern in Gesetze gegossen. Insbesondere haben Hamburg, Hessen, Bayern und NRW bereits das HinSchG landesrechtlich umgesetzt.  

Seit Ablauf der Umsetzungsfreist der Mitgliedstaaten am 17.12.2021 durften sich Bedienstete jedoch im Falle einer Meldung auch auf die WBRL stützen.  

Einführung – Status Quo vor Einführung des Hinweisgeberschutzes  

Beamtinnen und Beamte haben aufgrund ihres Berufsstatus eine besondere Nähe und damit auch eine besondere Treueverpflichtung gegenüber dem Staat. Wenn eine Beamtin bzw. ein Beamter eine Beschwerde abgeben will, sind zwei beamtenrechtliche Grundsätze zu beachten:  

Zum einen die Verschwiegenheitspflicht und zum anderen die Einhaltung des Dienstweges: 

Verschwiegenheitspflicht  

Die Verschwiegenheitspflicht für Kommunalbeamtinnen und -beamte ergibt sich aus § 37 BeamtStG. Sie ist eine der wichtigsten Pflichten für öffentliche Amtsträgerinnen und -träger und gehört zu den Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Dadurch werden Amtsgeheimnisse vor der Kenntnisnahme Dritter und die Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung geschützt.  

Die Verschwiegenheitspflicht betrifft alle Angelegenheiten, die der Beamtin bzw. dem Beamten dienstlich bekannt geworden sind. Damit sind sowohl innerdienstliche Vorgänge als auch Angelegenheiten außerhalb des Bereichs der öffentlichen Verwaltung umfasst.  

Dazu zählen:  

  • Persönliche und wirtschaftliche Angelegenheiten Dritter (insb. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse)  
  • Personalangelegenheiten der im öffentlichen Dienst stehenden Personen 
  • Kenntnisse über beabsichtigte Umgliederungen und Neuorganisationen in der Verwaltung und in den Betrieben, sofern sie der Öffentlichkeit noch nicht bekannt sind 
  • Bevorstehende Personalentscheidungen 
  • Entwürfe von Rechts- und Verwaltungsvorschriften  
  • Nicht schlussgezeichnete Verfügungsentwürfe  
  • Beschlussentwürfe einschließlich deren Begründungen und Stellungnahmen  
  • Vorgänge aus nichtöffentlichen Sitzungen  

Grundsätzlich haben Beamtinnen und Beamte über dienstliche Angelegenheiten, die ihnen bei ihrer amtlichen Tätigkeit (oder bei Gelegenheit) bekannt geworden sind, Verschwiegenheit zu wahren. Auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses gilt die Verschwiegenheitspflicht. Findet im Rahmen einer Beschwerde eine Pflichtverletzung statt, kann dies strafrechtliche (§§ 203 Abs. 2 oder 353 Abs. 1 StGB) und disziplinarrechtliche (§ 37 BeamtStG) Folgen haben.  

Dienstweg  

Verfahrensrechtlich sind Beschwerden auf dem Dienstweg einzureichen. Das folgt der Maßgabe einzelner landesbeamtenrechtlicher Regelungen. Der Dienstweg ist eingehalten, wenn der Antrag bzw. die Beschwerde beim unmittelbaren Vorgesetzten eingereicht wird, auch wenn sie an eine höhere Stelle gerichtet ist. Der Dienstweg läuft immer über die jeweils nächsthöhere Vorgesetzte bzw. den nächsthöheren Vorgesetzten. Eine Beschwerde kann auch direkt an einen nächsthöheren Vorgesetzten eingereicht werden, wenn sie gegen den unmittelbaren Vorgesetzten gerichtet ist. Nach Erschöpfung des Dienstweges steht den Beamtinnen und Beamten noch das Petitionsrecht gemäß Art. 17 GG zur Seite. 

Stufenmodell  

Wenn Beamtinnen und Beamte vor Einführung der EU-Whistleblower-Richtlinie einen Hinweis abgeben wollten, mussten sie das Stufenmodell beachten, das sich aus der Verschwiegenheitspflicht ableitet. Ein Hinweis musste zunächst intern abgegeben werden. Wurden keine Abhilfemaßnahmen eingeleitet, konnte sich die hinweisgebende Person im zweiten Schritt an eine externe Behörde (z. B. die Staatsanwaltschaft) wenden. Die letzte Eskalationsstufe war die Weitergabe des Hinweises an die Öffentlichkeit. Mit diesem Stufenmodell waren gewisse Rechtsunsicherheiten verbunden, die unter Umständen Beamtinnen und Beamte von einer Meldung abgehalten haben.

Beamtenrechtliche Grundsätze nach Einführung des Hinweisgeberschutzes 

Die Verschwiegenheitspflicht hat verschiedene Ausnahmetatbestände. In § 37 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BeamtStG wurde anlässlich der Umsetzung des HinSchG auch eine zusätzliche Ausnahme aufgenommen. Demnach müssen Beamte keine Verschwiegenheit bewahren über Informationen, die unter den Voraussetzungen des HinSchG an eine zuständige Meldestelle weitergegeben oder offengelegt werden. Die Ausnahme aus Nr. 4 greift nur, soweit die Voraussetzungen des HinSchG vorliegen. Diese Ausnahme wurde auch in die § 67 BBG aufgenommen. Das bedeutet, dass die Ausnahme nach dem HinSchG auch für Bundesbeamte gilt.  

Die bisher durch die Verschwiegenheitspflicht geschützten sensiblen verwaltungsinternen Daten sind nunmehr durch das Vertraulichkeitsgebot der §§ 8, 9 HinSchG ausreichend geschützt. Somit trägt das HinSchG als Ausnahme zur beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht dieser ausreichend Rechnung.  

Die Einhaltung des Dienstweges wird in den Fällen, in denen das HinSchG Anwendung findet, außer Kraft gesetzt (vgl. für Bundesbeamte § 125 Abs. 3 BBG, sowie beispielsweise für Landesbeamte vgl. § 103 Abs. 2 LBG NRW). Die interne Meldestelle wird nicht zwingend beim unmittelbaren Vorgesetzten implementiert und damit kann der Dienstweg bei Hinweisabgabe nicht eingehalten werden. Durch die Erweiterung der Berechtigungen des Beamten bzw. der Beamtin im Rahmen des HinSchG ist die Benachrichtigung des Vorgesetzten nicht mehr erforderlich.  

Zudem hat die hinweisgebende Person mit Einführung des Hinweisgeberschutzes auch ein Wahlrecht zwischen interner und externer Meldung. Sie muss nicht mehr nach dem Stufenmodell vorgehen, sondern kann sich auch direkt an eine externe Behörde wenden.  

Wie werden Beamtinnen und Beamte außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des HinSchG geschützt?  

Wie bereits in diesem Blogartikel beschrieben, umfasst der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG nicht jedwede mögliche Fehlentwicklung. Der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG umfasst neben den Vorgaben aus der WBRL beispielsweise strafbewehrte Verstöße und bußgeldbewehrte Verstöße, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib und Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient und dem öffentlichen Auftragswesen.  

Für Beamtinnen und Beamte besonders interessant ist die Frage nach dem Schutz der hinweisgebenden Person außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des HinSchG. In diesem Fällen finden die beamtenrechtlichen Vorschriften (s.o.) wie gewöhnlich Anwendung, ohne dass die Ausnahmetatbestände, welche durch das HinSchG geschaffen wurden, greifen.  

Das bedeutet für die Eskalationsroutine – also der Einhaltung des Dienstweges – dass diese einzuhalten und ein Hinweis an den direkten Vorgesetzten abzugeben ist.  

Wird ein Hinweis, der nicht in den Anwendungsbereich des HinSchG fällt, an eine interne Meldestelle weitergeleitet, ist zu prüfen, ob die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dies der Fall ist, vgl. § 33 Abs. 1 Nr. 3 HinSchG. 

Sollte die hinweisgebende Personen keinen hinreichenden Grund zu der Annahme gehabt haben, dass der Hinweis in den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG fällt, ist zudem zu beachten, dass das Vertraulichkeitsgebot gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG keine Anwendung findet. Das hat zur Folge, dass bei fälschlicher Hinweisabgabe an die interne Meldestelle die Identität der hinweisgebenden Person unter Umständen nicht mehr gewahrt wird.  

Fazit 

Durch die Einführung des HinSchG wurde Kommunalbeamtinnen und -beamten die Hinweisabgabe erleichtert, insbesondere durch die Beschränkungen der Verschwiegenheitspflicht und des Dienstweges. Ein offener Umgang innerhalb der jeweiligen Behörde mit dem Thema Hinweisgeberschutz und entsprechende Schulungen für die Kommunalbeamtinnen und -beamten sollten nun auf der Agenda der Behördenleitung stehen, damit in Zukunft ein vertrauensvoller Umgang mit dem Thema Hinweisgeberschutz gefunden werden kann und alle Seiten von Hinweisabgaben profitieren können. 

Sollten Sie noch keine interne Meldestelle implementiert haben, sollten wir sprechen!

Stand 23.01.2024