25 Fragen zum Hinweisgeberschutz­gesetz

Wer ist eine hinweisgebende Person?

Eine hinweisgebende Person ist eine natürliche Person, die innerhalb ihrer Organisation (Unternehmen oder staatliche Stellen) im Zusammenhang mit ihrer Arbeitstätigkeit erlangte Informationen über Rechtsverstöße oder unethisches Verhalten meldet oder offenlegt 

Für welche Unternehmen gilt das Hinweisgeberschutzgesetz?

Die Vorschriften des HinSchG knüpfen an den Begriff des „Beschäftigungsgebers“ an. Das sind alle natürlichen und juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts sowie rechtsfähige Personengesellschaften und -vereinigungen.

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit mehr als 50 Beschäftigten fallen in den Anwendungsbereich des HinSchG. Daneben gilt das HinSchG auch für alle öffentlichen Einrichtungen, wie z. B. Städte, Gemeinden und Landkreise mit mehr als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Müssen Kommunen und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts schon jetzt einen internen Meldestellenservice implementieren?

Grundsätzlich sind derzeit Kommunen und juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit es sich um Behörden in den Bundesländern handelt, auch nach Verkündung des HinSchG noch nicht vom Anwendungsbereich des HinSchG umfasst. Das bedeutet, es besteht bis zum Erlass landesrechtlicher Regelungen keine Verpflichtung, einen internen Meldestellenservice zu implementieren. Allerdings können sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Behörden und sonstigen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen seit dem 18.12.2021 auf die EU-Whisteblower-Richtlinie berufen. Denkbare Hinweise können von Beamten, Angestellten, Lieferanten und Dienstleistern kommen und beispielsweise Verstöße gegen das Vergabe-, Haushalts- oder Arbeitsrecht sowie kommunale Satzungen betreffen.

Müssen interne und externe Meldestellensysteme auch anonyme Hinweise bearbeiten?

Die interne Meldestelle sollte anonyme Hinweise bearbeiten. Es besteht allerdings keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.

Die externe Meldestelle sollte ebenfalls anonym eingehende Hinweise bearbeiten. Vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelungen besteht allerdings auch hier keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.

In welchen Formen muss die Hinweisabgabe ermöglicht werden?

Interne und externe Meldekanäle müssen eine Hinweisabgabe mündlich oder in Textform ermöglichen. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein. Auch eine persönliche Zusammenkunft ist auf Wunsch der hinweisgebenden Person zu ermöglichen.

Wie kann die Akzeptanz des internen Meldestellen-Services im Unternehmen erhöht werden?

Die Akzeptanz innerhalb des Unternehmens bzgl. des internen Meldestellen-Services kann durch Vertrauenswürdigkeit und Unabhängigkeit der Meldestelle gestärkt werden. Die Möglichkeit, einen Dritten zu beauftragen und damit den Meldestellen-Service outzusourcen, stellt in diesem Zusammenhang ein gutes Mittel dar, die Akzeptanz im Unternehmen zu erhöhen.

Was sind Repressalien?

Repressalien sind Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, die eine Reaktion auf eine Meldung oder eine Offenlegung sind und durch die der hinweisgebenden Person ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann.

Wie läuft ein Meldeverfahren ab?

Das Meldeverfahren startet mit der Abgabe eines Hinweises. Nach spätestens sieben Tagen ist eine Empfangsbestätigung an die hinweisgebende Person zu übermitteln. Die Betreiberinnen und Betreiber des Meldekanals prüfen die Stichhaltigkeit des Hinweises und treten mit der hinweisgebenden Person in Kontakt, um ggf. ergänzende Informationen oder Beweise einzuholen. Eine Rückmeldung über den aktuellen Stand des Verfahrens und bezüglich etwaiger Folgemaßnahmen muss spätestens nach drei Monaten erfolgen.

Wie lange müssen Hinweise aufbewahrt werden?

Alle eingehenden Hinweise müssen dokumentiert und für drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens aufbewahrt werden. Bei sprachbasierten Hinweisen dürfen Tonaufzeichnungen nur mit Einwilligung der hinweisgebenden Person aufbewahrt werden.

Welche Hinweise sind vom Hinweisgeberschutzgesetz umfasst?

Das Hinweisgeberschutzgesetz umfasst alle Verstöße, die strafbewehrt sind, sowie bußgeldbewehrte Verstöße, soweit sie Leben, Leib, Gesundheit oder die Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane schützen. Darunter fallen unter anderem Vorschriften aus dem Arbeits- und Gesundheitsschutz, Verstöße gegen das Mindestlohngesetz, Bußgeldvorschriften und Verstöße gegen Aufklärungs- und Auskunftspflichten gegenüber Organen der Betriebsverfassung wie dem Betriebsrat.

Darüber hinaus erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich auch auf Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft in einer Vielzahl verschiedener Bereiche (z.B. Regelungen zur Bekämpfung von Geldwäsche, Verstöße gegen die Produktsicherheit, Verkehrssicherheit, Umweltschutz etc.).

Welche Hinweise sind nicht durch das Hinweisgeberschutzgesetz geschützt?

Hinweise über Informationen, die die nationale Sicherheit oder wesentliche Sicherheitsinteressen des Staates betreffen, fallen nicht unter den sachlichen Schutzbereich des HinSchG. Darüber hinaus müssen auch berufliche Schweigepflichten beachtet werden, wie beispielsweise das richterliche Beratungsgeheimnis, ärztliche und anwaltliche Schweigepflichten. 

Welche Personen dürfen Hinweise abgeben?

Der persönliche Anwendungsbereich des HinSchG erstreckt sich insbesondere auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben. Dazu zählen:

  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (auch wenn deren Arbeitsverhältnis entweder noch nicht begonnen hat oder schon beendet ist)
  • Auszubildende sowie bezahlte und unbezahlte Praktikantinnen und Praktikanten
  • Unterstützerinnen und Unterstützer der hinweisgebenden Person
  • Journalistinnen und Journalisten
  • Anteilseignerinnen und Anteilseigner
  • Personen, die dem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Unternehmens angehören
  • Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer
  • Unterauftragnehmerinnen und Unterauftragnehmer
  • Lieferantinnen und Lieferanten
  • Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer

Muss der Betriebsrat bei der Implementierung des internen Meldestellensystems konsultiert werden?

Ja. Beschäftigungsgeberinnen und Beschäftigungsgeber haben grundsätzlich eine interne Meldestelle zu implementieren und dabei die Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu berücksichtigen. Nach § 80 Abs. 2 BetrVG besteht zunächst ein Anspruch auf Unterrichtung von der geplanten Einrichtung einer Meldestelle. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 6 BetrVG steht dem Betriebsrat auch ein Mitbestimmungsrecht zu, wenn bei der Einrichtung der Meldestelle über die Vorgaben des Gesetzes hinausgegangen wird.

Wer trägt die Beweislast, wenn sich der Hinweisgeber gegen Repressalien wehrt?

Erleidet eine hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit und macht geltend, diese Benachteiligung infolge einer Abgabe eines Hinweises erlitten zu haben, wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. Die Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt hat, hat dann zu beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basiert oder nicht aufgrund des Hinweises erfolgte.

Was ist das Konzernprivileg und wie funktioniert es?

Nach dem Konzernprivileg würde eine zentrale Meldestelle für alle Gesellschaften eines Konzerns ausreichen. Diese Frage wurde bisher nicht einheitlich geklärt. Die Europäische Kommission spricht sich gegen eine konzernweite zentrale Meldestelle aus. Eine lediglich bei der Muttergesellschaft angesiedelte zentrale Meldestelle kann demnach nicht für alle Tochter- und Enkelgesellschaften gelten. Somit muss auch jede einzelne Tochter- und Enkelgesellschaft, soweit sie aufgrund ihrer Mitarbeiterzahl in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, einen eigenen internen Meldestellenservice einrichten.

Der deutsche Gesetzgeber hingegen lässt das Konzernprivileg ausdrücklich zu. In der Gesetzesbegründung wird beschrieben, dass ein zentraler Meldestellenservice zulässig ist, soweit die beauftragende Gesellschaft (Tochtergesellschaft) in der Verantwortung bleibt, einen Verstoß zu beheben und weiterzuverfolgen. Die Vertraulichkeit muss auch hier gewahrt bleiben. Bei transnational tätigen Konzernen muss auch beachtet werden, dass etwaige Sprachbarrieren bei dem zentralen Meldestellensystem nicht vorhanden sein dürfen. Den hinweisgebenden Personen dürfen weiterhin keine zusätzlichen Hürden bei der Hinweisabgabe auferlegt werden.

Ob das Konzernprivileg Bestand hat bzw. ob aus diesem Grund ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Einführung des Konzernprivilegs eingeleitet wird, bleibt abzuwarten. Aus diesem Grund ist das Konzernprivileg kritisch zu betrachten.

Dürfen Unternehmen mit einem bereits implementierten zentralen internen Meldestellen-Service diesen weiterhin nutzen?

Ja, bereits implementierte Meldesysteme können weiterhin genutzt werden, sofern sie den Anforderungen des HinSchG entsprechen. Folgt man der Auffassung der europäischen Kommission muss bei den jeweiligen Tochtergesellschaften darüber hinaus ein zusätzliches internes Meldestellensystem implementiert werden.

Welches Recht ist bei transnational tätigen Konzernen anzuwenden?

Bei transnational tätigen Konzernen findet das Recht des jeweiligen Staates Anwendung, in dem die hinweisgebende Person einen Hinweis abgibt.

Dürfen in Hinweisen Geschäftsgeheimnisse enthalten sein?

Geschäftsgeheimnisse und vertrauliche Informationen dürfen gemeldet werden, sofern die hinweisgebende Person hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die Weitergabe des Geschäftsgeheimnisses notwendig ist, um einen Verstoß aufzudecken. In diesem Kontext ist die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen und vertraulichen Informationen erlaubt.

Müssen auch im öffentlichen Sektor interne Meldestellen-Services implementiert werden?

Ja. Die Pflicht zur Einrichtung und zum Betrieb einer internen Meldestelle gilt für öffentliche Beschäftigungsgeberinnen und Beschäftigungsgeber unmittelbar. Verpflichtet sind öffentliche Beschäftigungsgeberinnen und Beschäftigungsgeber mit mindestens 50 Beschäftigten bzw. mindestens 10.000 Einwohnern.

Was droht einem Unternehmen, das keinen internen Meldestellen-Service implementiert hat?

Verstöße des Beschäftigungsgebers gegen das HinSchG werden als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet (vgl. § 40 HinSchG).

Bei einer Nicht-Implementierung der internen Meldestelle, wird ein Bußgeld von bis zu 20.000 Euro fällig.

Was ist das sog. Vertraulichkeitsgebot und wen schützt es?

Das Vertraulichkeitsgebot soll gewährleisten, dass Daten über die hinweisgebende, hinweisgegenständliche Person und sonstigen Personen, die im Zusammenhang mit einem Hinweis stehen, geschützt werden.

Inwiefern ist die Hinweisabgabe mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen vereinbar?

Die Verarbeitung personenbezogener Daten hat grundsätzlich unter Beachtung von datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu erfolgen.

Durch die Einführung der DSGVO bzw. des BDSG wurden die Betroffenenrechte spürbar gestärkt. Insbesondere wurden umfangreiche Auskunfts- und Informationsrechte für Betroffene eingeführt. Aufgrund des Vertraulichkeitsgebots im Rahmen des HinSchG müssen diese Auskunfts- und Informationsrechte eingeschränkt werden. Gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 BDSG besteht das Auskunftsrecht der betroffenen Person nicht, soweit durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Vor allem wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten (in diesem Falle die hinweisgebende Person) sind diese geheim zu halten.

Mit wie vielen Hinweisen muss pro Jahr gerechnet werden?

Der Gesetzgeber geht in der amtlichen Begründung des HinSchG von vier Hinweisen pro 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern pro Jahr aus.

Was ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?

Das LkSG trat am 01.01.2023 in Kraft und regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutzrechten im eigenen Geschäftsbereich entlang der gesamten Lieferkette.

Das LkSG gilt ab 2023 für Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie ab 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Kann man das Hinweisgebersystem und die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens miteinander verbinden?

Ja! Wenn Unternehmen auch vom LkSG betroffen sind, kann es sinnvoll sein, beide Meldekanäle miteinander zu verbinden. Dadurch können Synergieeffekte genutzt und Kosten gespart werden.

Stand: 17.01.2024