Was ist Whistleblowing und was müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jetzt wissen?

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist da. Wir geben Informationen darüber, was Beschäftigte zu beachten haben.

Was ist Whistleblowing?

Whistleblowing ist eine Handlung, durch die jemand Informationen weitergibt, die auf Missstände innerhalb einer Organisationseinheit hinweisen.
Die hinweisgebende Person ist in der Regel eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter, die bzw. der solche Verhaltensweisen direkt oder indirekt beobachtet hat und dadurch ethische oder rechtliche Konsequenzen für das Unternehmen oder die Organisation befürchtet. Dies kann auch mit Umsatzeinbußen einhergehen. Ohne einen entsprechenden Hinweis hört der Verstoß in der Regel auch nicht einfach auf, sodass allein aus gesellschaftlichem Interesse eine Hinweisabgabe erforderlich ist. Die hinweisgebende Person kann einen Hinweis an eine interne oder externe Meldestelle abgeben.
Im Hinweisgeberschutzgesetz wurde hierzu ein Wahlrecht für die hinweisgebenden Person zwischen den beiden Kanälen aufgenommen.

Aufdecken von Missständen – Helden- oder Denunziantentum?

Das gesellschaftliche Verhältnis zu hinweisgebenden Personen ist ambivalent.
Kennen Sie Miroslav Strecker? Er hat 2007 den „Gammelfleisch-Skandal“ aufgedeckt und wurde dafür vom damaligen Agrarminister Horst Seehofer MdB a.D. (CSU) ausgezeichnet – an seinem Arbeitsplatz wurde er hingegen Opfer von Schikanen, bis ihm schließlich gekündigt wurde. Niemand hat ein Interesse daran, vergammeltes Fleisch zu essen und gleichzeitig wirkt ein solcher Hinweis im Arbeitsumfeld wie eine Bedrohung für den eigenen Arbeitsplatz. Ob eine hinweisgebende Person als Heldin bzw. Held oder Denunziantin bzw. Denunziant gesehen wird, hängt also von der Perspektive ab.
Verstöße können oft nur durch eine hinweisgebende Person aufgedeckt werden, weil diese oftmals die Einzige ist, die davon weiß. In vielen Köpfen ist verankert, dass die hinweisgebende Person in ungerechtfertigter Weise seinen Arbeitgeber „anschwärzt“. Gemäß den arbeitsrechtlichen Beziehungen sind Beschäftigungsnehmer den Beschäftigungsgebern zu Loyalität und Rücksichtnahme verpflichtet.
Dabei ist es wichtig, dass jede Situation differenziert betrachtet wird: Auch für Beschäftigungsgeber sind hinweisgebende Personen im eigenen Unternehmen wertvoll. In den meisten Fällen ist die Unternehmensführung rechtlich verantwortlich für Missstände, die im Unternehmen auftreten. Oftmals weiß die Führungsebene jedoch nicht um die Fehlentwicklungen. Die Folge sind Reputationsschäden und mögliche Umsatzeinbußen durch Veröffentlichungen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass einer hinweisgebenden Person die Möglichkeit geboten wird, intern einen Missstand zu melden, auf den dann zum frühestmöglichen Zeitpunkt reagiert werden kann.

Wann sollte ein Hinweis gemeldet werden?

Eine hinweisgebende Person ist vor diskriminierenden oder arbeitsrechtlichen Repressalien geschützt, sobald er hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die gemeldeten Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen, Art. 6 Abs. 1 lit. a WBRL.
Was bedeutet das konkret für die hinweisgebende Person? Ab wann ist er bzw. sie gutgläubig? Unklar ist, welche Nachforschungspflichten die hinweisgebende Person treffen. Die Nachforschungspflichten können die potenziell hinweisgebende Person nur im Rahmen der Legalität treffen und dürfen keinen hohen Anforderungen unterliegen, um das eigentliche Ziel – die effektive Durchsetzung des Rechts und eine Stärkung des individuellen Schutzes von hinweisgebenden Personen – nicht zu unterlaufen.
In der Konsequenz bedeutet das, dass eine hinweisgebende Person alle verfügbaren Informationen sammeln muss bis zu dem Punkt, an dem sie eine fremde Rechtssphäre (z. B. § 202 StGB) oder Geheimhaltungsinteressen (z. B. § 4 GeschGehG) verletzen würde.

Kann man mit einem Hinweis direkt an die Öffentlichkeit gehen?

Das HinSchG bezeichnet die Abgabe eines Hinweises an die Öffentlichkeit als Offenlegung. Sie stellt die einschneidendste Maßnahme für die Interessen des Unternehmens und der hinweisgegenständlichen Person dar.

Mit Öffentlichkeit ist klassischerweise die Presse gemeint, eine Hinweisabgabe an die Öffentlichkeit kann aber auch über Social Media erfolgen.

Im HinSchG finden sich Regelungen zur Offenlegung in § 32 HinSchG.

Voraussetzung ist:

  • Zunächst Erstattung einer externen Meldung und
  • Keine Rückmeldung erhalten oder
  • Keine geeigneten Folgemaßnahmen wurden ergriffen oder
  • Keine Rückmeldung über das Ergreifen von Folgemaßnahmen

Im Falle einer direkten Offenlegung muss die hinweisgebende Person hinreichenden Grund zu der Annahme gehabt haben, dass der Verstoß wegen eines Notfalls, der Gefahr irreversibler Schäden oder vergleichbarer Umstände eine unmittelbare und offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann. Eine direkte Offenlegung darf auch stattfinden, wenn im Falle einer zunächst externen Meldung Repressalien zu befürchten sind oder Beweismittel unterdrückt oder vernichtet werden könnten. Eine direkte Offenlegung kann auch dann erfolgen, wenn zwischen der zuständigen externen Meldestelle und dem Urheber des Verstoßes Absprachen bestehen könnten oder aufgrund besonderer Umstände die Aussichten gering sind, dass die externe Meldestelle wirksame Folgemaßnahmen einleiten wird.

Das bedeutet, dass eine hinweisgebende Person vor einer Offenlegung zunächst einen Hinweis an eine externe Behörde abgegeben haben muss.

Welche Missstände dürfen durch Meldung aufgedeckt werden?

Welche Arten von Missständen unter das HinSchG fallen, beantwortet der „sachliche Anwendungsbereich“, vgl. § 2 HinSchG.
Die wohl wichtigsten Missstände sind:

  • Verstöße gegen strafrechtliche Bestimmungen, wie z. B. Diebstahl, Korruption oder sexuelle Belästigung
  • Bußgeldtatbestände, wie z. B. Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes oder des Mindestlohngesetzes
  • Verstöße gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen
  • Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen
  • Verstöße gegen umweltrechtliche Bestimmungen

Welchen Vorteil hat die Auslagerung der Meldestelle an einen externen Dienstleister?

Wenn der Arbeitgeber die Meldestelle an einen externen Partner ausgelagert hat, hat das den zentralen Vorteil, dass eine Meldung in jedem Fall vertraulich behandelt wird. Ein externer Dienstleister steht zu keinem Zeitpunkt in einem Interessenskonflikt mit den Kollegen oder den Führungskräften einer hinweisgebenden Person im Unternehmen.
Dieser Vorteil wird nochmals untermauert, wenn Beschäftigungsgeber die Meldestelle an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ausgelagert hat, da diese schon per Gesetz zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.
Diese können weiterhin gemeldetes Fehlverhalten rechtlich einordnen und der hinweisgebenden Person direkt eine Einschätzung geben, ob sie die Voraussetzungen für den Schutz durch das HinSchG erfüllt. Durch gezielte Kommunikation an die hinweisgebende Person wird der Fall so aufbereitet, dass der jeweilige Beschäftigungsgeber nach dem Reporting in die Lage versetzt wird, direkt zu handeln.

Welche Konsequenz hat die Meldung von Missständen?

Soweit die Voraussetzungen vorliegen, hat die hinweisgebende Person keine Repressalien zu befürchten. Repressalien sind Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, die eine Reaktion auf eine Meldung oder eine Offenlegung sind und durch die der hinweisgebenden Person ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann. Einschlägige Beispiele für Repressalien sind Kündigung oder Mobbing. Zudem wurde im HinSchG eine Beweislastumkehr verankert. Dadurch muss im Prozess der Beschäftigungsgeber nachweisen, dass arbeitsrechtliche Repressalien gerade nicht im Zusammenhang mit einer Hinweisabgabe stehen.
Daneben steht es der hinweisgebenden Person oft frei, einen anonymen Hinweis abzugeben. Zwar besteht nicht die Pflicht für Unternehmen, die anonyme Hinweisabgabe zu ermöglichen, jedoch sollten auch anonyme Hinweise bearbeitet werden. Hinweisgebende Personen haben allerdings die Möglichkeit, einen Hinweis unter einem Pseudonym wie z.B. „Max Mustermann“ abzugeben und damit weiterhin quasi anonym zu bleiben. Darüber hinaus schützt auch das Vertraulichkeitsgebot die hinweisgebende Person.

Steht die hinweisgebende Person schutzlos dar, wenn die Voraussetzungen des HinSchG nicht erfüllt sind?

Insbesondere bei einer externen Hinweisabgabe ist es möglich, dass der Hinweis an eine unzuständige Behörde abgegeben wird oder eine Meldung schlichtweg falsch ist.

Zum Beispiel könnte die hinweisgebende Person als zuständige externe Behörde die Staatsanwaltschaft oder Polizei ansehen. Dies sind gerade keine externen Meldestellen. Diese wurden im HinSchG ausdrücklich benannt.

Gibt die hinweisgebende Person eine falsche Meldung ab, kommt es auf die Gutgläubigkeit hinsichtlich der Richtigkeit der abgegebenen Meldung an. Lediglich wenn es der hinweisgebenden Person ohne großen Aufwand möglich gewesen wäre, den richtigen Sachverhalt zu ermitteln, entfällt der Schutz durch die Gutgläubigkeit.

Das Hinweisgeberschutzgesetz bietet hinweisgebenden Personen keinen Schutz, wenn sie jemanden vorsätzlich oder grob fahrlässig zu Unrecht beschuldigen. In diesem Fall ist die hinweisgebende Person der beschuldigten Person auch zum Schadensersatz verpflichtet. Bei wissentlicher Falschmeldung kann es sogar zu einem Bußgeld kommen. Wichtig zu beachten ist in diesem Fall, dass das Vertraulichkeitsgebot hier nicht mehr greift. Der Identitätsschutz tritt im Falle einer Falschmeldung zurück. Die hinweisgegenständliche Person hat in diesem Fall ein berechtigtes Interesse an der Identität der hinweisgebenden Person, sodass auch Schadensersatz geltend gemacht werden kann.

Mit diesen Regelungen will das HinSchG dem viel kritisierten und befürchteten sog. „Denunziantentum“ entgegenwirken.

Fazit

Insgesamt findet ein gesellschaftliches Umdenken bezüglich des Whistleblowings statt, wodurch die Gesetzesinitiativen auf europäischer und deutscher Ebene überhaupt erst mehrheitsfähig waren. Durch die Einführung der EU-WBRL und des HinSchG wird mittel- und langfristig Vertrauen in Wirtschaft und Verwaltung geschaffen – zu dem hinweisgebende Personen aktiv beitragen.

Ein offener Umgang im Unternehmen mit dem Thema und entsprechende Schulungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten nun auf der Agenda von Beschäftigungsgebern stehen, damit in Zukunft ein vertrauensvoller Umgang mit dem Thema Whistleblowing gefunden werden kann und alle Seiten von Hinweisen profitieren können.

Stand: 15.01.2024